„Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mit noch nicht ganz sicher.“ Ich jedenfalls bin mir ziemlich sicher, dass Albert Einstein sich in diesem legendären Zitat weniger auf die Dummheit Einzelner bezog, sondern vielmehr auf unsere wirklich beeindruckende Fähigkeit, gemeinsam dümmer zu sein als alleine. Wir haben viele gute Gründe, dieses universelle Phänomen näher zu erforschen...

Information und Bedeutung

Nachdem ich in Teil 5 dieser Reihe erläutert habe, wie kollektive Debilität an den Grenzen 1 und 2 des Signalverarbeitungsprozesses stattfinden kann, möchte ich diesmal Grenze 3 näher untersuchen: wenn es darum geht zu erarbeiten, was die Informationen, die einem gemeinsam zur Verfügung stehen, im engeren Sinne bedeuten.

Der Prozess der Bedeutungsgebung findet in der Regel in der öffentlichen Arena eines Systems statt. Sein Ergebnis sind Entscheidungen über das weitere gemeinsame Handeln. Die Qualität dieses gegenseitigen Beeinflussungsprozesses ist also ausschlaggebend dafür, welchen kollektiven IQ die Handlungen des Systems verdient haben werden.
Wie kann man es hier besonders wirkungsvoll anstellen, gemeinsam dümmer zu sein? Die Zahl der Möglichkeiten ist groß, hier eine kleine Auswahl. Sie haben alle zu tun mit der eigenartigen Komplexität des Verhältnisses zwischen Person und Rolle (ausführlich untersucht in ‚Tough Love‘).

Person und Rolle in der öffentlichen Arena

In der öffentlichen Arena kommen die Mitglieder nicht so sehr als Personen zusammen, sondern in ihren Systemrollen. In diesen haben und verfolgen sie rollenbedingte Interessen. Sie sind in ihren Rollen abhängig voneinander, aber sie konkurrieren auch mehr oder weniger offen um Geld, Ressourcen, Einfluss und Zugang zur Macht. Wenn sie sprechen, dann immer aus der Perspektive und den Interessen ihrer Rolle – und es würde auch Vorwürfe hageln, falls sie das gar nicht tun, weil sie dann eben ihre Rolle nicht spielen. Wenn sie es zu offen tun, gibt es auch berechtigte Kritik, weil Geltungssucht und rücksichtslose Eigeninteressen unterstellt werden. Weil die Rolleninteressen natürlich nicht mit den Interessen der Anderen oder des Ganzen übereinstimmen müssen (und es oft auch nicht tun, besonders in den Zeiten von Veränderung), gibt es im Kopf jedes Beteiligten, während nach außen auf der Sachebene diskutiert wird, einen privaten inneren Dialog zwischen der Person und ihrer Rolle: wie weit kann ich gehen, wie offen kann ich sein, was muss ich auf jeden Fall sagen, was darf ich auf keinen Fall sagen, und so weiter. Heraus kommt dann ein gemeinsamer, aber einsamer Spaziergang im Spiegelkabinett des öffentlichen Raums. Ein Schaulaufen auf der Geisterbahn: nichts ist so wie es scheint, Lippenbekenntnisse und Beflissenheitsadressen regieren, Interessen werden verdunkelt, Allianzen bleiben heimlich, Argumente für oder gegen irgendetwas darf man auf keinen Fall wörtlich nehmen, glauben tut man am besten gar nichts. In einer solchen Kultur des öffentlichen Raums kann nicht besonders viel gemeinschaftliche Klugheit entstehen.

 

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