breaking news from the edge

Als Ergebnis all Ihrer Wahrnehmungen und Informationen aus dem Innen und aus dem Außen, und vor dem Hintergrund der Maxime, dass alles was Sie tun oder lassen eine Investition sein muss, die sich rentiert - und dass es dann gut ist, wenn es leicht ist - werden Sie sich immer wieder fragen: was braucht mein Team jetzt von mir, weil es sich das selbst systembedingt nicht geben kann oder darf?

Wie direktiv und richtunggebend sollte ich sein?
Wo und wie muss ich klärend, bewertend und ordnend eingreifen?
Wann und wie sollte ich die Leute selber darin fordern, Führerschaft miteinander zu entwickeln?
Wann, wie und wo kann ich loslassen, kann ich ans Team delegieren, ohne ständig präsent zu sein und mich gewichtend, schlichtend oder richtend auszulaugen?
Damit ich mich, auf dem Zaun zwischen dem Innen und dem Außen sitzend, um unsere Beziehung zu unseren externen Shareholdern, Stakeholdern und Konkurrenten kümmern kann – um meine Kerntätigkeit?!

Ein einfaches Muster, das dabei helfen kann, diese Fragen immer wieder zu beantworten, ist das Modell, das ein bisschen Ordnung in den Entwicklungsprozess von Gruppen bringt: Bruce Tuckman‘s schon zitierte fünf Phasen von Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning.

Alles, was wir unter der Überschrift ‚die Beziehung definieren‘ zusammengetragen haben, diente ja dem Zweck, Ihrer Gruppe so anmutig wie möglich dabei zu helfen, in die zweite Phase des Storming fortzuschreiten – interessanterweise zum großen Teil durch Verlangsamung:

 

Die Phase der anfänglichen oberflächlichen Nettigkeit hinter sich lassen und ernst werden: zur 'Sache' kommen.

 relationship 3

 

Was dabei half, war, dass Sie sehr direktiv und, ja, autoritär waren: Richtung, Rahmen und Sicherheit gebend, Zuversicht ausstrahlend, Respekt und Vertrauen inspirierend – aber vielleicht auch an manchen Ecken Widerspruch provozierend. Das erlaubt Ihren Leuten jetzt, und fordert sie darin, damit zu beginnen, sich auseinanderzusetzen und sich zusammenzuraufen.

Die coachende Beziehungsaufnahme – Klären, Gewichten und Ausrichten

Wenn man gemeinsam etwas erreichen und deswegen interessiert sein muss, sich möglichst in seinen Stärken zu ergänzen und nicht in seinen Schwächen, kann man nicht bei oberflächlicher und unverbindlicher Nettigkeit stehenbleiben. Der selbstorganisierende Prozess einer Gruppe muss also jetzt durch eine Phase führen, in der Fragen geklärt werden, die für die Produktivität der Gruppe als Ganzer ausschlaggebend sind:

Wer dominiert in welchen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen, wer verhält sich eher gefügig?
Wer steht in der Mitte, wer gehört zum Mainstream, wer bleibt am Rande? Und wer definiert, was Mitte, Mainstream und Minderheit sind?
Wer beansprucht oder ergreift welche Rolle, wer leistet welchen Beitrag? Wer ist darin stetig oder sogar begrenzt? Wer schaut eher, was im Moment gebraucht wird, und macht es dann?
Wer konkurriert mit wem um was, und mit welchen Mitteln? Wer ist eher nachgiebig, wer ist eher selbstbehauptend? Wie gehen die Leute damit um, wenn sie sich nicht durchsetzen?

Das ganze Gruppengefüge kommt in Bewegung, und mit jeder Handlung, jeder Reaktion werden Tatsachen geschaffen, die wiederum andere Reaktionen hervorrufen und auf die Handelnden zurückwirken: die Gruppe beginnt sich zusammenzuraufen. Ein komplexer, zum Teil sehr herausfordernder Prozess, in dem oft Gewinner und Verlierer entstehen, jedenfalls fürs Erste; in dem Verletzungen und Kränkungen passieren und gespeichert werden, in dem Rangbeziehungen definiert werden.

In diesem Prozess ist jedes Gruppenmitglied, eigentlich gleich in welcher Rolle, als Person gefordert:

Für die Interessen der eigenen Rolle und die ihrer Stakeholder eintreten. Für die eigenen persönlichen Bedürfnisse sorgen. Und dabei immer abwägen, in welcher Beziehung das steht zu dem, was man gemeinsam erreichen muss und worin man voneinander abhängig ist. Und das alles multipliziert mit allen anderen. Spaghetti alla Arrabiata.

Zu diesem Prozess gibt es keine Alternative, will die Gruppe konzertiert handlungsfähig werden. Ich kann ihn als Führungskraft nicht anordnen und nicht verbieten. Ich bin aber in gewissen Maßen ein Teil von ihm, auch wenn ich kein ‚richtiges‘ Mitglied der Gruppe bin. Ich kann ihn mitgestalten, und die Art und Weise, wie ich das tue, wirkt auf mich zurück. Ich werde mich eventuell jetzt auch Kritik an meinen Zielen, Vorgaben und Ansprüchen ausgesetzt sehen, und die Art und Weise, wie ich mit ihr umgehe, hat großen Einfluss darauf, wie die Gruppe in ihrer Entwicklung weitergeht. Ich werde vielleicht mit Versuchen von Gruppenmitgliedern konfrontiert werden, mich für ihre Interessen, Bedürfnisse und Anliegen einzuspannen und zu instrumentalisieren. Ich muss also höllisch aufpassen, dass ich meine Unabhängigkeit und damit meine Handlungsspielräume nicht verliere, während ich andererseits bemüht bin, gute persönliche Beziehungen zu allen Teammitgliedern zu unterhalten. Ich muss ihnen zuhören, wenn sie mir Probleme und Klagen schildern, und ich muss immer wieder auch für meine Ziele und für unsere gemeinsame Dritte Sache eintreten. Ich muss manchmal auch als Botschafter derer sprechen, die von unserem gemeinsamen Erfolg abhängig sind, ich muss immer wieder mal das große Bild malen, damit die aktuellen Frustrationen und Schwierigkeiten in eine sinnvolle Perspektive gerückt werden (die es hoffentlich gibt). Ich muss dabei helfen, Zuständigkeiten, Abgrenzungen, Informations- und Arbeitsflüsse zu klären. Wenn es, wie natürlich meistens, schon definierte Rollen gibt, muss ich dabei helfen, die spezifischen gegenseitigen Abhängigkeiten und Abgrenzungen zu klären. Ich muss sehr aufmerksam dafür sein, welche Gefälle es in diesen Interdependenzen gibt, denn das hat gravierende Auswirkungen unter Stress und in Konflikten. Ich muss geschmackvoll und bewusst damit umgehen, wenn es, wie in vielen Projektteams, hierarchische Rangunterschiede zwischen den Teammitgliedern gibt. Ich muss eventuell Minderheiten in meinem Team eher ermutigen und unterstützen, mit Ihren Dingen rauszukommen und für sich einzutreten, und ich muss eventuell einigen besonders offensiven Platzhirsch-Kandidaten gebieten, mal vorübergehend die Klappe zu halten und zuzuhören. Ich muss moderieren, nachfragen, verstehen, Optionen eruieren, präsentieren, predigen, überzeugen, vermitteln, übersetzen, gewinnen, motivieren, Grenzen setzen.

Bei all dem muss ich mich auch so schnell wie möglich wieder rausziehen, die Leute nicht von meiner physischen Präsenz abhängig machen, Lösungen unterstützen, die von ihnen selbst kommen, sie also immer wieder in Kontakt bringen und sich ihre Geschichten erzählen lassen. Und wenn es denn gar nicht anders geht, muss ich auch mal parteiisch sein, Diskussionen beenden, sagen wo es lang geht, Entscheidungen fällen, die Verlierer erzeugen, die eigenen Wahrnehmungen höher als alle anderen bewerten und entsprechend handeln, selbst wenn ich mich damit bei niemandem beliebt mache – wenn ich diese Mittel disziplinarisch und aufgrund unserer gemeinsamen Abhängigkeiten habe. Wenn nicht, muss ich hier manchmal hierarchisch eskalieren, um Klärungen herbeizuführen.

Ich brauche wirklich alle Register meiner psychosozialen Heimorgel.

 tuning guitar

 

Uff. Das alles ist anspruchsvoll, komplex und sehr busy, auf vielen interdependenten Bau-stellen zugleich jonglierend – Tough Love im wahrsten Sinne. Nicht nur die Gruppenmitglieder sind persönlich gefordert, auch ich als Führungskraft bin es. Aber es ist eine zeitlich begrenzte Investition mit unabweislichen Folgen:

Wie wir, die Gruppe und ich, durch diese Phase durchgehen, entscheidet über alles, was folgt.

Darüber, welche Kultur der Zusammenarbeit in unserem Team herrschen wird, und wieviel Spaß es also macht, an diesem großen gemeinsamen Ding mitzudrehen. Darüber, ob sich hier Stärken oder ob sich Schwächen multiplizieren – wie produktiv und wie intelligent man also gemeinsam sein wird. Darüber letztlich, welche Auswirkungen die eigene Arbeit auf andere hat, und ob es eine Anstrengung gewesen sein wird, die sich gelohnt hat.

Wenn es einer Gruppe gelingt, erfolgreich durch dieses Storming zu gehen, und wenn Sie dabei hilfreich sein konnten, wird das für alle Beteiligten eine große Ressource sein. Etwas, auf das man als Leistung und mit etwas Stolz gemeinsam aufbauen kann, wenn es mal schwierig wird: wenn eine Gruppe das schafft, schafft sie auch anderes. 

Was das Team jetzt von Ihnen braucht, in aller Schlichtheit und Größe, ist Ihre Präsenz. Mehr als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt. Allein da und ansprechbar zu sein, kann schon den ganzen Unterschied machen. Gehen Sie in dieser Phase möglichst wenig auf Dienstreisen. Wenn Sie mit der Herausforderung konfrontiert sind, ein geographisch verstreutes Team zu führen, dann sorgen Sie möglichst dafür, dass Sie einen Teamworkshop bitte für die Fragestellungen dieser Phase nutzen. Das ist wichtiger, als eine gemeinsame Floßfahrt zu unternehmen, schließt sich ja aber Gott sei Dank nicht aus.

Wenn Ihnen all das gelingt, in halbwegs erfolgreichem Ausmaß, denn es hängt nicht nur von Ihnen ab, sondern von jedem Einzelnen; dann kann Ihr Team jetzt den nächsten Schritt in seiner Entwicklung machen.

Sie haben auch hier den Prozess beschleunigt, indem Sie ihn verlangsamten. Das ist Ihr vielleicht wichtigster Beitrag zur Selbstorganisation Ihrer Gruppe. 

 

All diese Gespräche und Interventionen, all die Bemühungen und Investitionen. Jetzt darf und muss sich Ihre Beziehung zum Team wieder transformieren. Mehr dazu demnächst in dieser Reihe...

 

All dies und noch viel mehr steht natürlich in Tough Love.

Hier, hier, oder am besten direkt über das Wandelforum können Sie es selbstorganisiert online beziehen. Oder natürlich über Ihre lokale Buchhandlung. 

 

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