In den ersten drei Teilen dieser Reihe habe ich die systemische Landschaft Ihres Teams untersucht, und die Implikationen, die der hat für das Handwerk und die Kunst Ihrer Führungsbeziehung zur Gruppe: die Landschaft. Jetzt geht es darum, sich das Ganze in Bewegung anzuschauen ... 

In diesem und den folgenden Beiträgen will ich ausführen, wie unsere Führungsbeziehung zu unserem Verantwortungsbereich sich über die Zeit und die Entwicklung hinweg verändert, und wozu uns das jeweils zum Wohle des Ganzen auffordert: Wie das Geben und Nehmen zwischen Führung und Team sich entfaltet, und welche Auswirkungen all das hat auf die gemeinschaftliche Produktivität und - Sie ahnen es - Intelligenz.

Die fünf Phasen des Teamprozesses

Auch hier müssen wir das Rad nicht noch einmal erfinden, und daher werde ich, was die grobe Idee davon angeht, wie ein Team sich entwickelt und welche Führungsbeziehung das zu unterschiedlichen Zeitpunkten dieser Entwicklung beinhaltet, aufsetzen auf einem Klassiker der Selbstorganisation: dem Modell der Teamentwicklungsphasen von Bruce Tuckman.

Viele von Ihnen werden es schon mal gehört haben: die fünf Phasen von Forming, Storming, Norming, Performing, Adjourning. (1) Moin sagen, (2) sich zusammenraufen, (3) sich organisieren, (4) den Job tun, (5) Auswerten und Tschüss sagen – um das bereits Vereinfachte nochmals norddeutsch zu vereinfachen. Doppel-Wumms, sozusagen!
Dieses Modell ist, wie alle Modelle, eine Reduktion: der Versuch, Muster darin zu erkennen, wie Gruppen sich entwickeln. Falls Ihnen hier das berüchtigte 5-Grenzen-Prozessmodell in den Kopf springt, ist das nebenbei gesagt kein Zufall…
Die Wirklichkeit ist natürlich immer komplizierter und unordentlicher, deswegen ist ja der Anreiz so groß, vereinfachende Regelmäßigkeiten auszumachen. Wenn ich das Modell trotz dieser Einschränkungen genügend wertschätze, um es als Prozess-Template für die von mir vorgeschlagenen Konzepte von Führungsbeziehungen zu benutzen, dann deswegen:

Es beschreibt sehr plastisch, durch welche Beziehungsprozesse Menschen miteinander gehen müssen, die gemeinsam etwas erreichen wollen, was sie alleine nicht erreichen können.
Es ist in dieser Allgemeinheit tatsächlich auch global vernünftig und gültig – über alle systemischen und kulturellen Besonderheiten und Unterschiede hinweg, einfach, weil wir Menschen sind. Homo Dingsbums.
Weil es so allgemeingültig ist, liegt es also auch auf einer tieferen Ebene als der der Systemrollen: es handelt von Beiträgen. Führerschaft ist einer, vielleicht der gewichtvollste, denn Führerschaft sitzt immer auf dem Zaun zwischen dem Innen und dem Außen. Sie blickt notwendigerweise über den Tellerrand.

Es beinhaltet spezifische Hinweise, zu welchem Zeitpunkt der Gruppenentwicklung welche Art von Führung als Beitrag und Beziehung gefordert ist, damit das Ganze sich entfalten und seinen kollektiven Beitrag zum größeren Ganzen in ganzer Schönheit erbringen kann.

Was will man mehr. Und das besonders Schöne ist:

Der Prozess, in dem sich menschliche Gruppen entwickeln, ist so ziemlich derselbe: weltweit, kultur- und systemübergreifend. Er findet immer wieder statt, wenn eine Gruppe von Menschlein zusammenkommt, um gemeinsam etwas zu erreichen, was jeder für sich nicht erreichen kann. Er findet statt, wenn man sich zum ersten Mal trifft, und er wiederholt sich, wenn auch meist abgeschwächt, wenn man nach einer Zeit der Trennung wieder zusammenkommt, um weiterzumachen mit der gemeinsamen Arbeit. Es ist immer wieder dasselbe Muster. Entscheidend dafür, ob der Prozess in seiner ganzen Gestalt abläuft oder an einer Stelle steckenbleibt oder abbricht oder überhaupt erst gar nicht richtig losgeht, ist:

Die Gruppenmitglieder müssen abhängig voneinander sein, und es muss eine gewisse Stabilität in der Mitgliedschaft geben - die Mitglieder dürfen also nicht ständig kommen und gehen. Normal ey. 
Er ist seit Urzeiten darauf angelegt, die kollektive Intelligenz der Gruppe zur Geltung zu bringen: dass jede*r also sein oder ihr Bestes beisteuern kann und sich die Beiträge gegenseitig befruchten und befeuern. So dass man auf schöpferische Weise gemeinsam die Herausforderungen meistert, vor denen man steht. Dieser Prozess geschieht auf einer tieferen Ebene als der der systemischen Aufbauorganisation, und deswegen ist es auch nicht entscheidend, welche systemischen Rangverhältnisse herrschen. Das Muster ist in allen Gruppen dasselbe, egal, ob die Gruppe einen nominellen Führer hat oder nicht. Der Prozess ist also selbstorgarnisierend. Er ist nicht einmal abhängig von den Absichten der beteiligten Personen. So wichtig ist er und so tief in unseren Genen – darauf kann man sich verlassen.

Wenn das denn so ist, dass der Entwicklungsprozess von Gruppen ein essenziell selbstorganisierender ist, dann erhebt sich natürlich die Frage: was ist der Unterschied, den in diesem Prozess Führerschaft (als Beitrag) und Führung (als Rolle) machen können? Gibt es überhaupt einen? Und wenn, welchen? Und ist der fördernd oder hindernd, trägt er zur kollektiven Intelligenz bei oder zur kollektiven Dummheit?
An früherer Stelle hatte ich behauptet: in hierarchischen Organisationen ist das Ganze so schlau wie sein Chef. Da ist ja auch erheblich was dran. Und gleichzeitig läuft der Entwicklungsprozess auch, wie eben beschrieben, unabhängig von formeller Führung ab. Oder besser: nicht unabhängig, aber diesseits und jenseits der formellen Einflussgrenzen. Man kann ihn nicht anordnen und nicht verbieten. Eine Naturgewalt!

 

Dies alles und noch viel mehr steht natürlich in Tough Love.
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