Wie können Sie – nachdem Sie als Coach ihres Teamentwicklungs-Prozesses sehr engagiert mit dem Innen Ihres Verantwortungsbereichs beschäftigt waren – Ihre Teammitglieder zunehmend in die Selbstorganisation und also Selbstverantwortung überführen? So dass Sie Ihre Führungsrolle so ausfüllen können, wie sie im Kern angelegt ist: auf dem Zaun zwischen dem Innen und dem Außen? Ihre Frau- und Mannschaft durch die Tiefen und die Untiefen der Veränderung zu führen – also sie nach außen zu vertreten?

Darum soll es im Folgenden gehen. Wie immer so tiefschürfend wie praxisorientiert: 

Die partizipatorische Beziehungsaufnahme: Teilhabe und Verantwortung fördern

emancipation

Einer der schnöden Gründe dafür, dass es jetzt im Prozess der Gruppenentwicklung anders als in Phase II weitergeht, liegt darin, dass es schließlich Dinge zu tun gibt, dass es Ergebnisse zu erzielen gilt. Die warten ja nicht einfach, bis man alles wieder und wieder und bis ganz zum Ende diskutiert hat Und die, die von diesen Ergebnissen abhängig sind, warten auch nicht. Die Gruppe, die Einheit steht also unter Druck: sie muss so schnell wie möglich voll arbeitsfähig werden.

Ein zweiter Grund ist der, dass kaum jemand wirklich Spaß daran hat, ständig wieder alle Beziehungen in Frage zu stellen und sich partout nicht einzufügen. Man hat einander eini¬germaßen kennen und einschätzen gelernt, man hat sich aneinander gerieben und sich positioniert, und jetzt beginnt man, sich aufeinander einzustellen. Das heißt natürlich nicht, dass alle Teammitglieder vollständig glücklich mit dem Ergebnis für sich, ihre Rolle und ihren Beitrag sein müssen, aber die meisten von uns sind bereit, zugunsten des gemeinsamen Erfolges auf die vollständige Selbstverwirklichung zu verzichten, und so fügen wir uns. Jedenfalls einstweilen. Die Ergebnisse sind:

Die Gruppenmitglieder richten sich miteinander ein.

encounter

Sie als Teamchef*in kriegen natürlich mit, wer sich eher fügt, und mit welchem Gesichtsausdruck, und wer sich behauptet und wie, und was das beinhaltet für Ihre Gruppenleistung und für Ihre Führungsbeziehungen zu den einzelnen Mitgliedern und zum Team insgesamt.

Ihr Job ist es, diesen Prozess zu ermöglichen und zu halten.

Die Gruppe richtet sich mit Ihnen ein.

Aber nicht nur die Gruppenmitglieder beginnen, sich miteinander einzurichten, sondern auch die Gruppe insgesamt mit Ihnen, und Sie mit der Gruppe. Man kann sich nun mal die Menschen leider nicht nach den eigenen Vorstellungen schnitzen, und deswegen muss man eben mit ihnen so umgehen (in gewissen Grenzen), wie sie daherkommen.

Die Fragen, wieviel Respekt Sie professionell genießen, und wer Ihnen in was wie weit persönlich vertraut, sind fürs Erste beantwortet. Falls es hier für Sie dauerhaft anstrengend sein sollte: zögern Sie nicht...

  • Was Sie gut finden und was nicht, was Ihnen wichtig ist und was nicht, und wie kohärent und konsistent das beides ist – über all das ist in Ihrer Abwesenheit gesprochen und gedacht worden, und es gibt ein überwiegend geteiltes Verständnis davon in der Gruppe.
  • Was einem passiert, wenn man Dinge sagt oder tut, die Ihnen nicht gefallen, ist mittlerweile bei allen bekannt. Und auch, welche Dinge das vor allem sind.
  • Was man tun muss, um Ihr Wohlwollen und Ihre Anerkennung zu erlangen, und woran man das merkt, ist auch kein Geheimnis mehr.

Mit anderen Worten: Es entsteht in der Gruppe ein mehr oder weniger stilles, gemeinsames Verständnis davon, wo und wie man sich von Ihnen beeinflussen lässt – und davon, wo und wie man Sie beeinflussen kann.

Sie richten sich mit der Gruppe ein.

Sie wissen mittlerweile einigermaßen, wen Sie in der Gruppe respektieren, wen Sie besonders vertrauenswürdig finden, von wem Sie besonders abhängig sind, mit welchen Interessen die Einzelnen da sind, als wessen Gesandte, mit welchen Loyalitäten gegenüber Dritten und so weiter.

Sie haben eine Idee, wen Sie wie in der Gruppe besonders fördern und unterstützen möchten, weil das mit Ihren Zielen und Interessen übereinstimmt, und mit Ihren persönlichen Gefühlen, und mit Ihrer Einschätzung der Kompetenz.

Sie haben wahrscheinlich auch eine Idee, wen Sie nach wie vor besonders auf dem Radar haben müssen, aus welchen Gründen auch immer.

Sie merken, wo die Gruppe es Ihnen leicht macht, sie zu führen, und wo es Kraft kostet.

Man hat sich im besseren (und häufigeren) Falle allseitig aufeinander kalibriert und eingestellt. Nicht für immer, aber hinreichend für den Moment und für die nächste Zeit.

Manchmal (in Organisationsteams seltener als in Start-Ups) passiert es aber auch, dass an dieser Stelle Leute gehen, oder gegangen werden. Oft sind das die, die im Kampf um Ein­fluss und Führung unterlegen sind und die sich nicht den Gewinnern unterordnen wollen – oder von denen nicht geduldet werden. Sie werden dann für alle anderen Gruppenmitglieder zu Beispielgeschichten davon, was mit einem geschieht, wenn man rebelliert. Und manchmal geschieht es hier auch, dass die neue Führungskraft für alle Zeiten unten durch ist und keine Chance mehr hat, irgendein Maß an Respekt und Vertrauen zu generieren, das eine Weiter­führung der Arbeitsbeziehungen aussichtsreich erscheinen ließe. Einfacher gesagt: das war’s, danke.

So etwas passiert, ich habe etliche solcher Fälle kennengelernt, und es muss nicht einmal nur an der armen Führungskraft liegen. Ich will das hier nicht vertiefen. Wenn Sie aber irgendetwas von dem machen, was ich Ihnen bisher nahegelegt habe in Bezug auf das Beginnen und Monitoren Ihrer Arbeitsbeziehungen, sollte Ihnen das eigentlich so nicht ge­schehen.

Was ich aber sagen will ist: der Prozess, in dem sich eine Gruppe miteinander einrichtet, beinhaltet meistens Täter-Opfer-Dynamiken. Manchmal ist auch eine Stabilisierung nicht möglich, ohne dass jemand geht. Im besseren Falle kann es jedoch gelingen, Gegensätze auszuhalten und womöglich sogar im Sinne der gemeinschaftlichen Intelligenz zu nutzen.

Wie dieser Prozess verläuft, was sich also als Kultur etabliert, in dieser Gruppe mit Beziehungen umzugehen, und was das für jede*n Einzelne*n bedeutet – darauf hat natürlich die Führung einen entscheidenden Einfluss.

Wie auch immer sich der Prozess im Einzelnen gestaltet, welchen intelligenten oder dummen Beitrag die Führung dazu leistet, wie auch immer die Geschichte von Gewinnern und Verlierern ist, von Mehrheiten und Minderheiten, von Führen und Folgen:

Jetzt beginnen die Beziehungsverhältnisse, sich zu Realitäten und damit zu Selbstverständlichkeiten zu wenden. Gewohnheiten des Miteinanders stellen sich ein, Verhältnisse und Beziehungen stabilisieren sich, Untergruppen und Fraktionen konsolidieren sich.

Gewisse Beiträge, die jede Gruppe braucht, die aber in keinem Organigramm stehen, werden von irgendjemand aufgegriffen und erbracht: für das körperliche Wohl sorgen, für den nötigen Humor sorgen, für den nötigen Ernst sorgen, für die neuesten Gerüchte und heißesten Tipps, für unorthodoxe Ideen, mit Vorschlägen zur Güte, wenn Leute sich in den Haaren liegen, und so weiter. Das ist die Essenz von Selbstorganisation:

Stille Übereinkünfte und Normen entwickeln sich, die nicht in jeder Situation aktuell erkämpft werden müssen, sondern sich als allgemeingültige Erfahrungswerte etablieren. Dinge werden selbstverständlich. Strukturen, Feiern, Rituale, ein spezifischer Sprachgebrauch (‚Jargon‘), Insider-Witze und so weiter, und ein stiller Konsens darüber, was man besser nicht sagt. Mit anderen Worten: die Identität der Gruppe konstituiert und konsolidiert sich. Das Wir und das Nicht-Wir. Das ‚Wer gehört zu uns‘ und das ‚Wer nicht‘. Insider und Outsider. Mitglied und Fremder. Zwei Dinge markieren dieses ‚Wir‘ ganz besonders trennscharf:

Die ‚Lagerfeuergeschichten‘, die man jetzt beginnt, sich zu erzählen: davon, wie alles begann und sich dann in der Drama-Phase entfaltete, um sich jetzt zu konsolidieren. Diese Lagefeuergeschichten werden später noch ergänzt werden und verändern sich, während die Entwicklung der Gruppe weitergeht. Sie repräsentieren das kollektive Gedächtnis, das Epos, das alle Mitglieder beherbergt und von Person zu Person eint – die gemeinsame Geschichte: „Weißt du noch, als …?“

campfire stories

Die öffentliche Arena ist die, die sich jetzt als Ergebnis dieses Prozesses konturiert und stabilisiert – was man also öffentlich miteinander teilt, wie man miteinander in seinen Rollen interagiert, und welchen stil¬len Übereinkünfte da im Hintergrund wirksam sind. Und, als Ergebnis derselben stillen Übereinkünfte: was man nicht miteinander öffentlich teilt, sondern in privaten Momenten.

Diese beiden Dinge stehen in keinem OHB und in keiner Selbstdarstellung im Intranet, aber sie sind die Umrisse der kollektiven Gestalt, die sich jetzt als Kultur etabliert. Es ist Ihr Job, dabei zu helfen, dass dies geschehen kann: Empowerment.

 

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