breaking news from the edge

Woran merkt man, dass eine Gruppe, die in ihrer öffentlichen Arena zusammengekommen ist, um zu diskutieren, was für alle Bedeutung hat, akut an eine Grenze stößt? Spoiler: es ist leicht! Und wie kann kulturelle Kompetenz helfen, verlangsamend, verstärkend und bewusstmachend damit zu arbeiten? Das werde ich in dieser Blogreihe beschreiben und erkunden …

Eine Grenze wird heiß

In der öffentlichen Arena dominieren die Haltungen und Werte, mit denen man gemeinsam am meisten identifiziert ist. Es gibt unsichtbare Grenzziehungen, die scheiden, was man hier wie sagen sollte oder darf, und das, was unerwünscht oder gar tabu ist. Diese Grenzziehungen trennen im engen Sinne das Eigene vom Fremden, und sie werden in einer impliziten Übereinkunft der Mitglieder aufrechterhalten. Das ist der ‚stille Konsens‘.

Die Grenzen des öffentlichen Raums werden ‚heiß’, wenn in Veränderungsprozessen oder transformatorischen Krisen die inneren Konflikte der Mitglieder und die Beziehungskonflikte zwischen ihnen größer werden, wenn die Spaltung zwischen öffentlich Verkündetem und privat Gestöhntem tiefer wird.

Plötzlich wird das Thema gewechselt...

Es liegt auf einmal Spannung in der Luft...

Die Diskussion dreht sich im Kreis...

Jemand reißt einen Witz, alle lachen, das heiße Thema ist weg...

Betretene, peinliche Stille...

Sarkastische Bemerkungen häufen sich, usw ...

Kulturelle Kompetenz ist die bewusstmachende Arbeit an den ‚heißen’ Grenzen des gemeinschaftlichen Bedeutungsraums. An diesen Grenzen im Hier und Jetzt zu intervenieren, bedeutet u. a.:

Das, was offensichtlich gerade passiert, benennen.

Die Atmosphäre ansprechen.

Erkundende und verstörende Nachfragen zu Sender und Empfänger stellen.

Die Grenzen gegen Person und Beziehung überschreiten. 

Kurz, es bedeutet, den stillen Konsens zu verstören, der die öffentliche von der privaten Bedeutungssphäre trennt.

Jede Intervention findet ja auf der systemischen, auf der Beziehungsebene statt. Sie muss von einer Person in einer Rolle an andere in deren Rollen gerichtet sein, und nicht als unverbindlicher Beitrag beim Kamingespräch in den Rauch des Feuers. Die Frage, mich im Weiteren beschäftigen soll, lautet: Wer darf das?

Diese Frage ist an sich schon merkwürdig, denn dieses Recht sollte ja eigentlich jedes wache Mitglied eines Systems haben, das in der Tradition der Aufklärung steht. Wahrscheinlich wird einem, wenn man so allgemein danach fragt, auch bereitwillig die Erlaubnis, ja Einladung erteilt. Wenn man es dann aber konkret tut, kann, abhängig von der eigenen Rolle, deren Rang und einigen anderen Dingen, die Hölle über einen hereinbrechen. Die Sanktionen, mit denen man rechnen muss, sind zwar keine unmittelbar juristischen, aber doch ziemlich abschreckend.

Es kann einem geschehen, dass man ignoriert oder lächerlich gemacht wird; dass man angegriffen wird oder bloßgestellt wird; dass man als Agent des Fremden gebrandmarkt, isoliert, verhöhnt oder gar hinausgebeten wird.

Deshalb lautete die Frage nicht: Wer kann das? Denn jedes Mitglied, das seine fünf Sinne beieinander hat, kann das. Sogar jeder naive Gast kann das, jeder zufällig hereinplatzende Pizzabote. Wenn aber etwas anderes dabei herauskommen soll als eine momentane Verwirrung, eine allgemeine Peinlichkeit oder eine barsche Zurechtweisung, dann braucht es zwei Arten von Voraussetzungen. Die erste liegt in uns als Personen, die zweite in unseren systemischen Rollen.

Der Frage 'wer darf das?' werden wir in den weiteren Teilen dieser Reihe folgen.

 

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