In Teil 4 habe ich die Struktur des Informationsverarbeitungsprozesses dargelegt, den eine Gruppe durchlaufen muss, um von der Wahrnehmung einer Herausforderung aus dem Außen zu möglichst intelligenten Handlungsentscheidungen fortzuschreiten, und wie sich diese Prozess-Struktur im Diskurs der Gruppen- (oder Organisations-, oder System-) Mitglieder abbildet – mit intelligentem, weniger intelligentem oder flagrant dusseligem Ausgang...
Kollektive Dummheit
Da man das Thema ‚kollektiv schlau sein‘ nicht durchdringen oder gar befördern kann, ohne seiner Kehrseite gewahr zu sein, soll es diesmal darum gehen, wie es eine Gruppe anstellen kann, gemeinsam dumm zu sein.
Die Schwellen im kollektiven Meinungsbildungsprozess, an denen das am wirkungsvollsten geht, habe ich in Teil 4 schon benannt:
(1) Wahrnehmung: nachhaltig nichts merken.
(2) Information: irreführende Benennungen verwenden.
(3) Bedeutung: Bedeutungslosigkeit unterstellen (z.B. durch Herunterpriorisieren).
(4) Identität: an überkommenen Selbstkonzepten festhalten.
(5) Handeln: nichts machen.
Was jetzt niemanden mehr überraschen wird: Kollektive Dummheit ist so wenig vom individuellen IQ abhängig wie kollektive Klugheit (Teil 2). Man kann also auch in einer Gruppe von Physikprofessoren richtig dummes Zeug verzapfen.
Wenn es aber nicht am IQ liegt, woran liegt es dann? Im Folgenden will ich einige prägnante Faktoren aufzählen. Sie sind uns allen wohlvertraut, denn wir begegnen ihnen als Mitglieder von Gruppen und Organisationen täglich.
Nichts merken
Lassen Sie uns ganz vorne anfangen. Wie kann man es hinkriegen, Realitäten möglichst lange zu leugnen? Indem man so identifiziert und beschäftigt damit ist, seine Ziele und Zielvorgaben zu erreichen, dass alles andere nicht nur eine Ablenkung, sondern nachgerade eine Gefährdung für die Zielerreichung darstellt. Das gilt für das Management, das den Shareholdern gegenüber verantwortlich ist für die Erreichung der strategischen Ziele, das gilt aber natürlich im Gefolge dessen auch für alle Führungskräfte und die anderen Mitarbeiter einer Organisation. Wenn dann noch wesentliche Teile des persönlichen Einkommens an eine Zielerreichung gekoppelt sind, erzeugt das nicht nur einen Tunnelblick, man wird ja sogar potenziell zum aktiven Komplizen der organisierten kollektiven Dummheit. In diesem Sinne sind zeitgenössische Zielvereinbarungssysteme hoch wirksam dafür, eine große Menge intelligenter und gutausgebildeter Menschen in ihrem Zusammenwirken dumm zu machen. Je mehr man mit den anderen Kollegen konkurriert, desto egoistischer muss man werden, desto weniger teilt man Wissen und Wahrnehmungen miteinander, desto dümmer wird das Ganze.