breaking news from the edge

Im fünftenTeil dieser Blogreihe soll es um den großen Refrain dessen gehen, was in vielen Strophen seit tausenden von Jahren und über alle Kulturen hinweg an Klugem über Beziehungen zwischen erwachsenen Menschen gesungen worden ist ...

Eigentlich sind alle Punkte, die wir bisher unter der Perspektive ‚was in Beziehungen wichtig ist‘ gestreift haben, nichts anderes als Anläufe aus verschiedenen Richtungen zum Sprung in dieselbe grobkörnige Sandgrube: Sie landen alle in der kratzigen Anerkenntnis, dass es in den meisten Fällen eine gute Idee ist, den anderen so zu behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte.

Die Goldene Regel

Diese Anerkenntnis, die legendäre und Ehrfurcht einflößende Goldene Regel, ist sehr alt unter uns Menschen, sicher viel älter als irgendeine unserer schriftlichen Hinterlassenschaften. Sie findet sich in allen großen Religionen der Welt, ist Grundlage jeder Ethik und Moral und vieler Philosophien. Die wunderbare Karen Armstrong hat aus dieser Tatsache sehr weise und ganz pragmatisch die Frage entwickelt: Wenn, im Angesicht aller Spannungen in der Welt, alle Religionen sich doch in dem so überwältigend einig sind, kommen wir dann nicht gemeinsam einen großen Schritt weiter, wenn wir das explizit auch anerkennen, und uns danach richten? Dann hat sie die ‚Charter for Compassion‘ gegründet. Unbedingt beitreten!

Was die Regel selbst angeht: manchmal wird ihre positive Formulierung noch durch die negative ergänzt, die auch ziemlich berühmte Silberne Regel: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Kennt man doch, oder?

Das zentrale Konzept dieser ewigen Regeln ist das der Gegenseitigkeit. Über nichts anderes sprechen wir hier, wenn wir über Beziehungen nachdenken, und wie sie funktionieren können: nämlich in der Anerkennung von Gegenseitigkeit. Die Grundlage dafür, Gegenseitigkeit anzuerkennen und zu leben, ist die Einfühlung.

Das Mitgefühl. Die Empathie. Schon Schopenhauer wusste das: der Andere ist nicht einfach nur anders, nicht vollkommen fremd. Etwas von uns ist in ihm, und etwas von ihm ist in uns, und ohne den Anderen sind wir eigentlich streng genommen niemand. Schließlich sind wir Rudelwesen. Einfühlung befähigt uns, uns in die Schuhe des anderen zu begeben, zu leiden, wenn er leidet, zu lachen, wenn er lacht, uns zu entschuldigen, wenn wir ihm wehgetan haben, ihm zur Seite zu stehen, wenn er für etwas eintritt. Unser gesamtes Miteinander, alle Künste, unsere Normen und Werte beruhen auf dieser Fähigkeit: so zu tun, als sei man der andere; mit dem anderen zu resonieren. Mal ganz unter uns: so vollständig ohne diese Fähigkeit ist man auch als Rudel-Art evolutionär schwerst bedroht. „Das Böse“, so sagte einmal Richard Powers, „ist nichts anderes als unsere Weigerung, uns im anderen zu sehen.“ Und ihn in uns, konnte man ergänzen. Aber ganz pragmatisch:

Empathie ist für eine Führung, die sich als Beziehung mit anderen versteht und verwirklicht, natürlich die Kernkompetenz. Ohne die Fähigkeit zur Einfühlung könnten wir nichts verwirklichen von dem, worüber ich hier rede.

Ohne Einfühlung werden wir kein einziges Problem in der Zusammenarbeit je verstehen, mit dem wir konfrontiert werden, und das werden wir ja weiß Gott täglich. Und weil wir es nicht verstehen, können wir es auch nicht vernünftig lösen, und dann schaffen wir mit irgendeiner Art von angestrengter und gut gemeinter, aber unbegabter Brachialgrätsche nur noch neue und schlimmere Probleme. Und das kostet!

Ohne Einfühlung haben wir auch nicht den Schimmer einer Ahnung davon, mit was die Entscheidungen, die wir treffen, andere konfrontieren. Und dann verstehen wir konsequenterweise natürlich auch die Reaktionen der Betroffenen nicht und fantasieren abends an der Hotelbar mit anderen ähnlich Geschlagenen gleichen Ranges darüber, dass doch diese schlichten Menschlein einfach ein Problem mit Veränderung haben und so weiter. Und dann produzieren wir wieder mit den rührendsten, aber auch dümmlichsten  Absichten Lösungen, die mehr und noch fantastischere Probleme schaffen – wie zum Beispiel eine verpflichtende Fortbildungsreihe zu den vier Phasen der Veränderung, um die armen Leute mal pädagogisch auf Vordermann zu bringen. Die Kosten türmen sich!

Die Fähigkeit, sich in jemand anderen hineinzuversetzen, Empathie also, ist von einigen unserer bemerkenswerteren Führer als eine tragende Säule von Führungsbefähigung genannt worden. Barack Obama beschreibt in seinem programmatischen ‚The Audacity of Hope / die Kühnheit der Hoffnung‘, wie sehr die Goldene Regel für ihn Ausdruck der Fähigkeit zur Einfühlung ist, in einem noch viel tieferen Sinne, als es eine bloße moralische Vorschrift sein könnte. Und wie wesentlich diese Fähigkeit für sein Verständnis von Führerschaft ist, und für sein Umgehen mit Beziehungen in der politischen Sphäre. Als richtungsweisend für die Entwicklung seiner Empathie erwähnt er übrigens seine Großmutter, die ihn als Heranwachsenden immer wieder mal gefragt hätte: „Und wie glaubst du, würdest du dich da fühlen?“

Wenn das aber alles so ist …

Wenn Führen eine Beziehung ist und nichts anderes sein kann - 

Wenn für diese Beziehung – zum Nutzen aller Parteien und aller Stakeholder dieser Parteien – dieselben einfachen Wahrheiten und ‚Regeln‘ gelten wie für alle anderen Beziehungen -

Wenn diese einfachen Wahrheiten uralte stammesgeschichtliche Erfolgsrezepte sind, die uns sicher seit Jahrmillionen hier durchbringen -

Wenn im Zentrum dieser Wahrheiten die Gegenseitigkeit steht, und in deren Zentrum die Einfühlung - 

 … Warum sind dann in unseren modernen ökonomischen (und politischen!) Organisationen immer wieder Leute so häufig und so zum Teil atemberaubend erfolgreich, offenbar sogar mit einer großen Anziehung auf die ehrgeizige Jugend, die durch völlige Abwesenheit von Einfühlung glänzen -  Goldene Regel, nie gehört?

Es gibt einen Fachausdruck:  ‚dissoziale Persönlichkeitsstörung‘ oder Soziopathie (ICD 10 F60 der WHO). Es existieren mehr und mehr empirische Studien, die darauf hinweisen, dass eine Unfähigkeit zur Empathie nicht nur gut ist, wenn man Serienkiller werden möchte, sondern auch, wenn die Domäne des Ehrgeizes den wirtschaftlich-politischen Raum des gesellschaftlichen Mainstreams umfasst. Eine gute Frage also: Warum? Ich komme auf sie in der nächsten Blogreihe zurück, versprochen. Wir wollen ja nicht alle Hoffnung schon jetzt verlieren …

Eins können wir aber hier festhalten: So wesentlich die Empathie für die Führung ist, so hinderlich ist sie vielleicht für das Management. Ich hatte das schon mal eingangs angedeutet: da kann man sich nicht ständig in andere einfühlen, und wenn man das täte, könnte man seinen Job ab sofort überhaupt nicht mehr tun. Wenn wir Management machen – wenn wir in der Verschlankung und Kostenoptimierung und Effektivierung von Prozessen und Beiträgen zugunsten eines erhöhten Return on Invest denken müssen –, müssen uns Beziehungen (denken wir jedenfalls gerne) zum Teil einfach völlig am Rücken vorbeigehen.

Für die Manager unter uns, die auch noch als Führende teilzeittätig sind, und besonders die, die keine Soziopathen sind, bedeutet das einen ständigen und verzehrenden inneren Konflikt, der einen über alle Grenzen führt, wenn man ihn tatsächlich in seiner ganzen Dramatik überhaupt zulässt: Der echte Soziopath, und, keine Illusionen, den gibt es, hat es da eben leichter.

Führerschaft = Empathie / Management = Soziopathie?

Und was und wo ist überhaupt der gordische Knoten, der dieses Dilemma erzeugt?

Im abschließenden nächsten Teil dieser Reihe nehmen wir den Ariadne-Faden nochmal auf ...


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