breaking news from the edge

Manchmal geht es in der Führung darum, gnadenlos genau zu sein, ganz präzise und mit intellektueller Schärfe zu sprechen und zu agieren. Damit trennt man. Das altgriechische ‚kritein‘, das sowohl unserer Krise wie unserer Kritik zugrunde liegt, bedeutet ‚trennen‘ oder ‚scheiden‘. Das ist die Kernaufgabe des kritischen Intellekts ...

Trennen und Einen

Es gibt Momente, in denen der Führungsbeitrag zum Ganzen darin besteht, und darin bestehen muss, Einheit, Verbundenheit und gemeinschaftliches Commitment zu erzeugen oder zu betonen. Das erreicht man natürlich nicht mit semantischer Akribie. Es gibt also Momente für das eine wie für das andere.

Wann ist es also angezeigt, mit kritischem Geist und unbestechlich zu trennen, und wann muss man das Gegenteil tun, um zu vereinen? Einen vielsagenden Hinweis bekommen wir in diesem berühmten Zitat von Mario Cuomo, dem langjährigen Gouverneur des States New York:

“You campaign in poetry. But you govern in prose.“ – „Man macht Wahlkampf mit Poesie, aber man regiert in Prosa.“

Wir beginnen zu ahnen, dass der Unterschied zwischen Trennen und Einen eine Menge mit unserem Sprachgebrauch zu tun hat – aber natürlich auch mit der Haltung, aus der dieser Sprachgebrauch entspringt. Tough Love eben.
Wenn wir dem Cuomo-Zitat ein bisschen nachspüren – was es wert ist –, dann können wir Folgendes extrapolieren:
Wenn es darum geht, Einheit, Zusammenhalt und einen gemeinsam geträumten Traum zu befördern, dann spricht man in ‚Poesie‘.

Man entwirft sprachliche Bilder. Man spricht ausdrücklich oder verdeckt aus der Wir-Position („Jeder, der …“ „Wenn man …“, „Da wird dann Enttäuschung erzeugt …“, „Alle, die wir …“), ohne zu genau darin zu werden, welches Subjekt, welchen Sender man meint. Man spricht in Metaphern („Der Weg ist steil“), in Verallgemeinerungen (wie zum Beispiel Werten) und Behauptungen („Wir schaffen das!“) und in Allgemeinplätzen („Am Ende des Tages zählt das Ergebnis“). Man bleibt unspezifisch, an wen die Äußerung eigentlich gerichtet ist („Die, die sich dem Neuen nicht stellen wollen ...“). Und, besonders wirkungsvoll, man referenziert auf mythologische Ereignisse der gemeinsamen Geschichte („Damals, als wir noch arm an Besitz waren, aber reich an …“). Und so weiter; es gibt da ziemlich viele Techniken, wie man sich vorstellen kann. Auch hier will ich nicht zu sehr ins Einzelne gehen. Ziel ist es jedenfalls, ein möglichst nachhaltiges rhythmisches Nicken bei möglichst vielen Leuten zu erzeugen. Wenn man da zu genau ist, nickt am Ende des Tages niemand mehr außer einem selbst, und auch das natürlich nicht nachhaltig, wenn nämlich kein anderer mitnickt.

Gemeinschaft erzeugt man immer mit Verzicht auf und auf Kosten von Genauigkeit.
Genau in dem Maße unspezifisch zu sein, dass sich jeder geborgen und gehalten fühlen kann und so seiner Phantasie erlaubt, in die Ungenauigkeiten seine eigenen Bilder und Vorstellungen und Bedeutungen hineinzuprojizieren… so geht das. Die Frage aber bleibt: wann ist dies angezeigt, ohne dass es auf übelste Weise manipulativ und auf billigste Weise suggestiv und abgeschmackt rüberkommt?

Besuchen wir also die andere Seite: „You govern in prose“.

Den kritischen Verstand benutzen, um zu sezieren, zu analysieren, sehr genau über Sender und Empfänger nachzudenken. Sich nicht durch vorschnelle Bekundungen von Konsens oder Einigkeit beeindrucken lassen.

Sich nicht täuschen lassen, wenn andere über Unterschiede oder auch Konflikte hinweggehen, vielleicht sogar, um sie ungesehen desto privater austragen zu können. Nicht aufhören nachzufragen, bis der ganze Signalverarbeitungsprozess des oder der Anderen entblättert und bloßgelegt ist: Wer genau, was genau, wann genau, wie oft mit welchen Auswirkungen auf wen genau? Wie genau ergibt sich aus X Y? Welche sinnlich überprüfbaren Daten liegen der Argumentation zu Grunde? Welche Interessen sind mit der Argumentation verbunden, welche Loyalitäten, welche Konkurrenz? Und so weiter.

Wann ist also der dramaturgische Ort, an dem es angezeigt ist, zu trennen, zuzuspitzen, zu grillen, hartnäckig zu sein, zu löchern und zu hinterfragen?

Dazu mehr im nächsten Beitrag.

 

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