breaking news from the edge

Wo die Grenzen der Loyalität mit dem Chef liegen, wie man sich da persönlich entscheidet, was passieren muss, um die aufzukündigen, und wie man damit dann persönlich umgehen will – dazu kann ich an dieser Stelle und über dieses Medium wirklich keine Ratschläge erteilen. Das muss man letztlich sowieso mit sich selbst und den eigenen Werten ausma­chen. Aber trotzdem, oder gerade deswegen…

Es gibt unterschiedliche Ausmaße von Loyalität, und es gibt natürlich auch unterschiedliche subjektive Schwellen von Chefs, ab denen sie dazu neigen, Illoyalität (also im Kern Verrat!) zumindest zu argwöhnen:

Führung, Loyalität und Verrat

Die konservativste Schwelle ist sicher die, den eigenen Chef in öffentlichen Situationen

…nicht in Frage zu stellen und ihm nicht zu widersprechen. Besonders wenn diese öffentliche Situation Chefs des Chefs enthält.

…nicht durch die eigene Brillanz zu überstrahlen und in den Schatten zu stellen.

…nicht mit Neuigkeiten zu überraschen, über die Sie Ihren Boss im Vorhinein nicht unterrich­tet haben.

Kurz: Konkurrieren Sie niemals mit Ihrem Chef um Anerkennung durch hochrangige Dritte in der öffentlichen Arena. Lassen Sie ihn nicht in die Fallen der Peinlichkeit und Gesichtsverlust tappen (es sei denn, Sie wollen Blut sehen). Damit kommt man im Allgemeinen für alle täglichen Zwecke durch, aber sonderlich viel Einfluss garantiert das noch nicht, weil das natürlich alle anderen auch so tun. Es ist sozusagen Teil der normalen Rollenethik.

Die schon anspruchsvollere Schwelle, mit den entsprechenden Folgen für die persönliche Selbstführung, besteht darin,

…dem Chef in öffentlichen Situationen ungefragt beizuspringen, wenn er und das, wo­für er oder sie steht, von Dritten kritisiert und angegangen werden.

…dem Boss auch dann in öffentlichen Situationen beizustehen, wenn man selbst da­mit nur unter Schmerzen einverstanden ist.

…in persönlichen Gesprächen mit Dritten nichts zu streuen, was man dem Chef nicht auch selbst sagt, am besten schon gesagt hat, oder zumindest absolut bereit ist zu sagen.

...den Boss aber innerhalb der eigenen Teamöffentlichkeit mit den eigenen Sichtweise und Wertung zu konfrontieren. Und natürlich in Zweiergesprächen sowieso.

Dieses Maß an Loyalität ist schon nicht mehr alltäglich und beinhaltet eine starke persönliche Komponente, die über eine reine Rollenloyalität hinausgeht. Mächtiger, weil sie viel mehr Einfluss generiert, aber auch riskanter, weil man manchmal zu Komplizen wird, die die Regeln ein bisschen beugen, um durchzukommen - und manchmal auch mehr als ein bisschen. Das allerdings generiert dann noch mehr Einfluss. Irgendwann muss man schließlich beginnen sich zu fragen, wieviel Einfluss man hier eigentlich wirklich haben möchte, und ob es auch andere Wege gibt, den zu erlangen, als mit einer anderen Person mehr und mehr zu verschmelzen. Denn das ist die nächste Schwelle:

Man wird eine Art Frau Baumann. Auf jeden eigenen Ehrgeiz, auf jede eigene Sichtbarkeit verzichten. Sich und das eigene Leben ganz und gar der Person verschreiben, der man dient. Sich nach außen absolut loyal verhalten – und dieses Außen beginnt bei jedem außerhalb dieser Zweierbeziehung, selbst Eheleuten. Nach innen, in den intimen Diskussionen mit dem Chef, kein Blatt vor den Mund nehmen, unbestechlich im Urteil, auch den Selbsttäuschungen des Chefs keinen Moment aufsitzend. Und doch immer auf seiner oder ihrer Seite. Dabei aber nicht harmlos. Nicht durch Statussignale zu beeindrucken. Klarer Verstand und unbezweifelbare Managementqualitäten. Hervorragende Gatekeeper-Eigenschaften. Auf der Basis von so viel Vertrauen und Respekt kann man eine Menge bewirken – vielleicht mehr, als man alleine und für sich je hätte erreichen können.
Unter anderem hat man diesen Einfluss dadurch, dass man vielleicht die einzige Person ist, die dem Chef ein knochentrockenes Feedback über seine oder ihre Wirkung auf andere geben kann. Die ‚Opfer‘ dieser Wirkung würden sich höchstwahrscheinlich nicht trauen, dieses Feedback so zu geben, oder sie würden aus Gründen der allseitigen Gesichtswahrung darauf verzichten, oder es würde bereits so gewunden und gequält und verzerrt geäußert, dass man damit nichts anfangen kann, oder muss.

Knochentrockenes Feedback von jemand, der oder die einem prinzipiell wohlgesonnen ist und nicht mit einem konkurriert, ist eines der kostbarsten, eigentlich unbezahlbaren Geschenke, wenn man höhere bis höchste Führungspositionen bekleidet.

Ob man/frau so eine Art von Leben als graue Eminenz attraktiv findet, ist allerdings eine ganz andere Frage, und nicht viele von uns werden diesen Weg dauerhaft gehen wollen. Es wird nicht überraschen, wenn ich feststelle, dass die meisten langfristig erfolgreichen Partnerschaften dieser Art entweder gleichgeschlechtlich waren (Herr Schröder und Herr Steinmeier, Frau M und Frau B - oder mit dem männlichen Partner im Licht der Öffentlichkeit und mit der rangniedrigeren Frau im Schatten (Helmut Kohl und Juliane Weber usw. usw.), aber an den Schalthebeln.

Wenn man wirklich Karriere machen will in einer großen Organisation, ist es wahrscheinlich fast unumgänglich, dass man sich zumindest für ein Stück der langen Reise einem großen Mentor und Förderer verschreibt. Man kann nicht ernsthaft hoffen, als Rebell Karriere zu machen. Michael Kohlhaas ist keine Modellfigur für den Weg in die Führungsverantwortung einer Organisation. Und dann kommt irgendwann der Tag, an dem man sich entweder aus der Loyalität löst, mit all den Konsequenzen, die das nach sich zieht – oder bleibt und weiter dient und wartet, dass man eines Tages den Mentor beerbt. Auch das kann funktionieren.

Weitgehend unabhängig vom jeweiligen Anspruchsniveau der Hingabe an Ihren Boss bleiben aber diese alltäglich-praktischen Gesichtspunkte zu beachten, wenn Sie ihn oder sie beeindrucken und beeinflussen möchten:

Sprechen Sie aus Ihrer Rolle. Vergessen Sie niemals, was Sie mit Autorität und Legitimität repräsentieren und welche Interessen Sie in dieser Rolle verfolgen müssen.
Sprechen Sie aber auch mit einem Horizont, der das Wohlergehen des Ganzen beinhaltet, und das ist nicht immer mit Ihren partikularen Interessen identisch. Tun Sie in öffentlichen Situationen nicht so, als wenn das anders wäre, die anderen sind auch nicht blöd.

Nutzen Sie Vier-Augen-Situationen mit Ihrem Boss, um ihm ein paar einfache Fragen zu stellen. Am besten fragen Sie ihn sogar, ob Sie ihm ein paar einfache Fragen stellen dürfen, und erläutern kurz warum: damit Sie wissen, wie Sie ihn am besten unterstützen können, auch wenn er nicht explizit darum bittet, und damit auch Sie einschätzen können, wo Sie von ihm ungefragt mit Unterstützung rechnen können:

Was sind seine/ihre Interessen in der Rolle, seine/ihre Ziele und Hoffnungen?

In welchem Verhältnis dazu stehen die Zielvereinbarungen mit seinem Boss?

Wo und wie können Sie ihm helfen?

Wo braucht er in diesem weiteren Zusammenhang auch Ihre spezifische Unterstützung?

Was sind seine Erwartungen an Sie? Was dürfen Sie von ihm erwarten?

Vielleicht spricht Ihr Chef all diese Dinge sowieso aktiv an (ich an seiner Stelle würde es tun); vielleicht aber auch nicht. Wenn nicht, haben Sie hier Gelegenheit, die Macht des Fragenstellens als Instrument der Führung kennenzulernen und auszuprobieren. Geschmackvoll natürlich, sehr geschmackvoll …
Strapazieren Sie seine Aufmerksamkeitsspanne nur mit wenig mehr technischen oder operativen Details, als er ungelangweilt erträgt. Es tut seinem Vertrauen in Sie nur gut, wenn er denken kann, dass Sie eben nach wie vor eine kleine Neigung zum Kleinteiligen haben. Dann kann er es getrost Ihnen überlassen.
Sprechen Sie Ihren Chef immer in seiner Rolle, in seiner Verantwortung an. Als Per¬son in privaten Situationen eigentlich nur, wenn Sie beide bereits einen Pakt miteinander geschlossen haben, der weit über die jeweiligen Rollen hinausgeht. Sie wissen schon, Frau B.
‚Verkaufen‘ Sie ihm Ihre Ideen und Vorschläge, vor allem in Zweiergesprächen, indem Sie den Nutzen aus der Sicht des Verantwortungsbereiches Ihres Chefs plastisch machen, der ja Teil Ihres Horizontes ist, siehe oben. Was wird dadurch Ihnen allen ermöglicht, was vermeiden Sie miteinander, wenn man Ihrem Vorschlag folgt?
In Zusammenhang damit, nochmals sei es unterstrichen, achten Sie auf Ihre persönlichen Fürwörter. ‚Wir‘ ist natürlich hier das Zauberwort; sehr mächtig. Seien Sie aber wachsam dafür, wann sich Ihr Chef oder auch andere dadurch zur Geisel genommen fühlen könnten.
Seien Sie sich um Himmels willen bei all dem bewusst, dass Sie mit vielen anderen um den Einfluss auf Ihren Boss wetteifern. Versuchen Sie nicht, ständig alle Wettbewerbe zu gewinnen. Wenn Sie wohldosiert auch andere gut aussehen lassen können – am besten dann, wenn es auch noch gerechtfertigt ist –, untermauert das nur Ihr Standing bei Ihrem Boss, und bei Ihren Peers auch. Zeigen Sie sich auch beeinflussbar – wenn auch nicht durch billige Manöver.

 

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