breaking news from the edge

In dieser kurzen Blogreihe möchte ich – wie immer kurz, bündig und praxisorientiert – einige Hinweise geben, wie man/frau mit Tough Love seine/ihre Führungskraft führen kann: f<F. Sie merken schon: meine Wortwahl ist vielsagend. Sie wird natürlich hervorgebracht durch unsere germanische Genderisierungsbeflissenheit…

Die Führungsbeziehung nach ‚oben‘

In diesem ersten Teil soll es um einige konstituierende Merkmale der Führungsbeziehung unter der Perspektive ‚Klein beeinflusst Groß‘ gehen. Bevor ich inhaltlich werde, möchte ich hier noch eine redaktionelle Anmerkung loswerden: Der Text der folgenden Abschnitte entstammt im O-Ton natürlich Tough Love. Erschienen Anfang 2015. Beim nochmaligen Lesen sprang mir ins Auge, dass ich damals durchgehend die männliche Form gewählt hatte, wenn es darum ging, sich auf den Boss zu beziehen. Das würde ich heute längst nicht mehr so tun, denn nicht nur ist es heutzutage ‚politisch‘ fast unerträglich, es spiegelt auch gottseidank nicht mehr den realistischen Anteil von Frauen in Führungspositionen wider.

Gerade bin ich aber wieder mal ein wenig neidisch auf die angelsächsische Sprachwelt, in der ‚Boss‘ gleichermaßen männlich wie fraulich sein kann, ohne, dass man/frau sich unentwegt semantisch verrenken muss. Der Grund, aus dem ich mich letztlich entschied, den Text nicht nochmals durchzudeklinieren, ist aber dieser: Es werden durch das Beibehalten der männlichen Form einfach einige Merkmale der Führungsbeziehung f>F noch krasser deutlich, als es mit Gender-Sternchen möglich wäre zu beschreiben.

Nun aber los: Mit einiger Wahrscheinlichkeit reden wir hier über Ihre wichtigste einzelne Führungsbeziehung. Ohne die Unterstützung und das Empowerment durch Ihren Chef stehen Sie in Ihrer inhaltlichen Arbeit, in der Erreichung Ihrer Ziele und in ihren Rollenbeziehungen zu denen, die Sie beeinflussen müssen, auf sehr einsamem und ziemlich verlorenem Posten. Sie sind also vielfältig und essenziell von ihm abhängig, und daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, ihn (oder natürlich sie, siehe ‚Seine einzelnen Leute führen‘) zu beeinflussen, so gut das eben geht.

Umgekehrt ist auch Ihr Chef von Ihnen abhängig, in der Erreichung seiner eigenen Ziele, für sein eigenes Standing unter seinen Gleichrangigen, in den Rollenbeziehungen zu ihnen und seinem Chef. Je weniger er sich mit Ihnen beschäftigen muss, je weniger anstrengend Sie für ihn sind, je weniger er mit seinen Peers in Konflikte gerät, die aus Ihrer Ebene eskaliert wurden, desto besser für ihn. Seine Abhängigkeit von Ihnen ist vielleicht nicht ganz so unmittelbar existenziell wie Ihre von ihm, aber langfristig nicht weniger groß. Aus seiner Abhängigkeit von Ihnen ergibt sich zweierlei:

Er muss Sie beeinflussen. Das ist sozusagen selbstverständlich und wird von allen Beteiligten auch so behandelt. Er muss sich auch von Ihnen beeinflussen lassen. Er muss Ihnen entgegenkommen, wo es ihm vertretbar scheint - schon, damit er seine Ruhe vor Ihnen hat. Aber noch viel wichtiger ist: Die Weisheit seiner eigenen Entscheidungen hängt davon ab, sich auch Ihrem Einfluss zu öffnen, oder zumindest eine glaubhafte Einladung dazu auszusprechen. Schließlich ist er der Repräsentant Ihrer kollektiven Intelligenz (siehe ‚Führung und kollektive Intelligenz‘). Während ich dies schreibe, ist mir natürlich klar, dass nicht alle unsere Chefs diesen Schuss schon gehört haben. Andererseits habe ich in meinen Diskussionen mit Chefs noch niemanden erlebt, der sich aus dem Fenster gelehnt hätte mit der Vorgabe, er würde sich von seinen Mitarbeitern überhaupt in gar nichts beeinflussen lassen. Wäre, wie gesagt, auch nicht klug.

So weit, so gut. Es gibt allerdings einen weiteren Gesichtspunkt, den Sie unbedingt im Kopf haben müssen: Sie sind nicht der oder die Einzige, wenn es darum geht, Ihren Boss zu beeinflussen. Zumindest tun dies auch alle anderen, mit denen Sie gleichrangig sind, im Sinne ihrer jeweiligen Interessen und Repräsentanzen. Ganz abgesehen einmal von einer Menge anderer Spieler in der Organisation, die man nur zum Teil überhaupt kennt – und auf die ich so gut wie keinen Zugriff habe. Alle konkurrieren miteinander um den Einfluss auf ihren gemeinsamen Boss, oder Kollegen, oder welche Rollen auch immer der Chef noch für andere spielt. Diese Ressource ist begrenzt, und nicht alle können immer gewinnen. Ich muss mir dessen bewusst sein, und ich muss infolgedessen die Hebel, die ich anlege, mit großer Achtsamkeit und einem präzisen Gefühl für das Timing wählen.

Um dafür eine Intuition zu entwickeln, muss ich meinen Chef in seiner Rolle und als Person studieren. In seiner Rolle muss ich versuchen zu verstehen, welche Interessen er verfolgt und zu welchem Ende, von wem er in was abhängig ist, mit wem er um was konkurriert. Als Person muss ich ihn beobachten, wie man als Kind seine Eltern beobachten muss, wenn man sie im Sinne der eigenen Bedürfnisse beeinflussen möchte: Wann ist er zugänglich, wann sollte man ihn besser in Ruhe lassen? Wie kann ich seine Aufmerksamkeit erringen? Woran merke ich, dass ihm etwas gefällt, woran, dass er etwas missbilligt – auch wenn er nichts sagt? Wo ist er eitel, stolz und selbstgefällig, wo ist er unsicher oder zu verunsichern? Überflüssig zu sagen: die Geschlechterverhältnisse spielen hier eine besonders große Rolle. Wahrscheinlich noch überflüssiger zu sagen:

Ihre Leute studieren Sie genauso.

 

Dies alles und noch viel mehr steht natürlich in Tough Love.

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Mehr zu dem faszinierenden Thema 'Leadership Downside Up' im nächsten Teil dieser Reihe -  Gender hin, Gender her ... 

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