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Heute möchte ich mich über die Unglaublichkeit wundern, dass wir uns spalten und uns dabei beobachten, während wir das tun. Diese Gabe, oder dieser Fluch, ist ein Mysterium, und sie ist bestimmend dafür, dass wir kulturelle Wesen sind – die einzigen auf unserem Planeten, und die einzigen weit und breit im Universum, soweit wir wissen. Weil wir fähig sind, uns zu spalten, sind wir kulturelle Wesen, und weil wir kulturelle Wesen sind, spalten wir uns ...

Kultur und der Tanz mit dem Spalter

Unsere Fähigkeit zur Spaltung (oder sollte man sagen unsere Conditio Humana, dass wir gespalten sind), dass wir uns innerlich von uns selbst distanzieren können, dass wir nicht, wie der Rest der Schöpfung, ganz augenscheinlich einfach sind, ist nicht nur dafür verantwortlich, wie wir uns in den öffentlichen und privaten Räumen bewegen. Sie unterliegt auch allen anderen kulturellen Leistungen:

Sie ist Grundlage und Voraussetzung für die Ethik. Kultur kann nur ‚funktionieren’, wenn die Mitglieder eines Systems in der Lage sind, sich und ihr Verhalten vor dem Hintergrund gemeinsamer Normen und Werte selbst zu beobachten, zu bewerten und zu regulieren, sich also zu spalten. Das Gewissen, der innere Kritiker, das Über-Ich, die innere Stimme, wie auch immer wir es nennen:

Die Fähigkeit, den kulturellen Wertekonsens in sich hinein zunehmen und das eigene Erleben und Verhalten danach zu evaluieren, ist essenziell für Kultur. Dasselbe gilt für unser Vermögen, innerlich in Konflikt mit uns zu geraten, diesen Konflikt beobachtend wahrzunehmen und neue Entscheidungen zu treffen.

Dasselbe gilt für unser Vermögen, innerlich in Konflikt mit uns zu geraten, diesen Konflikt beobachtend wahrzunehmen und neue Entscheidungen zu treffen.

Die Spaltung ist Grundlage und Voraussetzung für unsere Bewusstseinsentwicklung. Indem wir introjizieren / die Außenwelt verinnerlichen, werden wir uns unserer selbst bewusst, indem wir projizieren / die Innenwelt veräußerlichen, werden wir uns der Welt bewusst. In der Dynamik zwischen diesen beiden Polen entwickelt sich unser Bewusstsein – und indem wir diesen Vorgang beobachten, gelangen wir zu Selbsterkenntnis.

Dass wir uns spalten ist Grundlage und Voraussetzung für unsere Fähigkeit, so zu tun als ob. Dies ist das vielleicht erstaunlichste Geschenk, das die Spaltung uns macht. Ich erweise hier Hans Vaihinger meine Referenz, einem neukantianischen deutschen Philosophen (1852-1933), der eine ‚Philosophie des Als Ob‘ entwickelte.

Wir haben die Fähigkeit zur Spaltung bereits näher kennen gelernt, denn sie erlaubt uns, mit Symbolen umzugehen, die ja für etwas stehen, was sie selbst nicht sind. Das Als-Ob-Muster findet sich darüber hinaus aber in einer Vielzahl weiterer menschlicher Eigenarten:

Es liegt natürlich dem kindlichen Spiel zu Grunde, indem Kinder so tun, als seien z.B. Stoffpuppen lebendige Tiere, oder indem sie so tun, als seien sie jemand anderes, wenn sie in die Rollen von Mutter, Vater, Prinzessin oder Polizist schlüpfen, oder Superman. Als verlängerte Kindlichkeit ist sie die Wurzel aller menschlichen Phantasie in Künsten und Wissenschaften. Ohne unsere zauberische Fähigkeit, so zu tun als ob, die, aus der Spaltung geboren, über das analoge Denken die Einheit des Lebendigen erforscht („Menschen sind Gras“), gäbe es auch keine Nachahmung – und Nachahmung (oder Modellieren) ist der vielleicht mächtigste Faktor in all unserem Lernen, in der Art und Weise, wie wir Kultur erwerben, wenn wir aufwachsen oder Mitglied eines neuen Systems werden. Ohne Als-Ob gibt es weder Einfühlung noch Lüge, und beides sind essenzielle Kulturfähigkeiten (Interessanterweise erlernen Kinder beides im selben Lebensalter: mit ungefähr fünf Jahren). Nicht zuletzt liegt das Als-Ob-Prinzip unserer Fähigkeit zu Grunde, in unterschiedlichen Situationen und Kontexten in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen und uns dabei in unterschiedlicher Weise zu spalten.

 

Dies alles und noch viel mehr steht natürlich auch in 'Die heiligen Kühe...'

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