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Heute soll es um eine der wichtigsten Qualitäten der kulturellen Kompetenz gehen: Ältestenschaft. Vielleicht überraschenderweise ist sie besonders wichtig, ja unabdingbar, in Zeiten transformativer Veränderung.

 Was ist Ältestenschaft?

Das Rollenkonzept von Ältestenschaft ist uralt und wahrscheinlich gattungsweit verbreitet. Es reicht bis in die Stammeskulturen zurück. In diesen waren (und sind, wo es sie noch gibt) die Ältesten die Gruppe der erfahrenen Männer und Frauen, die die Führenden in ihrer Tätigkeit berieten, Streitigkeiten und Konflikte schlichten halfen und mahnend die Stimme erhoben, wenn es Anlass zur Sorge in Bezug auf das Wohlergehen des Ganzen gab. Sie verkörperten das Wissen, die Weisheit und Erfahrung des gesamten Stammes.

Ältestenschaft ist die Fähigkeit,

... sich in die Erlebniswelt jedes Mitglieds einer Gemeinschaft hineinzudenken und hineinzufühlen, weil man weiß oder sich vorstellen kann, wie das Leben von dort aus aussieht;

... das Verbindende im Trennenden zu sehen und das Trennende im scheinbar Verbindenden.

... dem menschelnde Gewusel, dem ewige Spiel von Konkurrenz und Abhängigkeit, von Rang, Macht und Einfluss, mit Illusionslosigkeit und Mitgefühl zu begegnen;

... den stillen Konsens zu benennen und dabei keinen Zweifel daran zu lassen, dass man das zum Besten des Ganzen tut;

... darauf zu vertrauen, dass Führerschaft sich zeigt, wenn sie gebraucht wird, und sie uneigennützig zu unterstützen und zu fördern, wenn sie sich zeigt;

... das Ganze zu ‚halten’, wenn seine Teile miteinander hadern, streiten und sich zu verlieren drohen, wenn sie sich verletzen und aneinander leiden;

... vor dem Hintergrund der eigenen Lebenserfahrung nicht nur den Täter im Opfer, sondern auch das Opfer im Täter zu sehen – und die Bescheidenheit, diese Seite der Wahrheit den Betroffenen erst dann zu offenbaren, wenn sie bereit dafür sind;

... in großer Ruhe und mit der ganzen Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt da zu sein, weil man dem Tode näher ist als die Anderen – und der Wunsch, diese Qualitäten der Gemeinschaft zu schenken.

Diesen Fähigkeiten liegt die Gewissheit zugrunde, dass es alle braucht – vom Größten bis zum Kleinsten, vom Dicksten bis zum Dünnsten, vom Klügsten bis zum Dümmsten, vom Geradesten bis zum Schrägsten, vom Verschlafensten bis zum Wachsten, damit das Ganze sich entwickeln kann.

Ältestenschaft ist also nicht einfach eine primitive und vorsintflutliche soziale Institution. Vielmehr gehört sie zu unseren edelsten Talenten. Jeder Mensch entwickelt Aspekte dieser Fähigkeiten im Laufe seines Lebens, der eine mehr, der andere weniger.

Eine Kultur, in der es keine Menschen gibt, die diese Fähigkeiten verkörpern, ist schlicht undenkbar.

Die Ältestenrolle spielt denn auch, und deswegen kommen wir auf sie, in jedem kulturellen Feld eine wichtige Rolle – auch, wenn sie in unseren modernen Kulturen nicht (mehr) als Systemrolle repräsentiert ist. Weil aber jede Kultur Ältestenschaft braucht, um sich zu entfalten und nicht einfach auseinander zu brechen, gibt es immer wieder Personen, die ihre Eigenschaften situativ verkörpern, die für einen Augenblick zu Ältesten werden und eine integrierende Wirkung auf das Feld ausüben.

Gewöhnlich erwirbt man den Status des Ältesten, wie der Name schon sagt, durch die Erfahrung vieler Sommer und Winter. Man muss gute und schlechte Zeiten durchlebt, Siege gefeiert und Niederlagen beweint haben. Man muss erfahren haben, wie es ist, zu führen und geführt zu werden, gefeiert und verdammt zu werden, zu triumphieren und zu scheitern. Und man braucht ein Gedächtnis, das weit genug zurückreicht, um festzustellen, dass sich in der Rückschau manchmal das Erste als das Zweite erweist. Ein Gedächtnis, das sich an die Geschichte seiner persönlichen Transformationen erinnert, daran, wie es in seinen transformatorischen Krisen gelernt hat – und was es dabei über sein Lernen gelernt hat.

Was unseren Kulturkreis angeht, müssen wir schon genau hinsehen, um Personen zu finden, die ihre Qualitäten verkörpern. Es fallen einem Namen ein wie Gandhi, Nelson Mandela oder der Dalai Lama, allesamt Leuchttürme der Menschlichkeit, aber die gehören weiß Gott nicht im engeren Sinne zu unserem Kulturkreis. Andererseits zeigt sich Ältestenschaft, wie anderes auch, besonders dann, wenn sie gebraucht wird. Die oben genannten Lichtgestalten weisen darauf hin und sie belegen auch, was wir eingangs dieses Abschnittes als eine der persönlichen Voraussetzungen dafür formuliert haben, den stillen Konsens zu stören: eine spirituelle Ressource ist sehr hilfreich.

Ohne die Qualitäten und Fähigkeiten der Ältestenschaft ist kollektives transformatives Lernen nicht denkbar, sind transformatorische Krisen nicht friedlich zu bewältigen. Aber wenn alle ein bisschen davon haben, muss nicht unbedingt jemand Einzelnes die Rolle des Ältesten verkörpern. Darüber hinaus ist es durchaus nicht so, dass ein hohes Lebensalter alleine die Gewähr dafür ist, ihre Qualitäten zu entwickeln. Auch jüngere Menschen können bereits über die Eigenschaften von Ältesten verfügen, wenn sie entsprechende Erfahrungen mitbringen. Was die Entwicklung dieser Qualitäten allerdings sehr fördert, ist:

Führungserfahrung, denn die fordert uns auf, uns mit den Möglichkeiten und Grenzen unserer persönlichen Macht und Einflussnahme auseinander zu setzen.

Die Bereitschaft, darum zu ringen, das Täter-Opfer-Paradigma zu transformieren. Jeder Schritt, den wir auf diesem Weg gehen, verhindert, dass wir uns provozieren, polarisieren, antagonisieren lassen, dass Impulse aus dem Außen oder dem Innern uns einfach ‚triggern’, dass wir uns in Spiegelfechtereien, Egospielen, Macht- und Ranggerangel verlieren. Nur diese Bereitschaft befähigt uns, unsere hellen wie unsere dunklen Seiten, unsere Stärken wie unsere Schwächen, unsere Wachheit und unsere Trance, unsere ganze Person als ‚Kanal’ für den kollektiven Wandlungs- und Wachstumsprozess kennen zu lernen und zu nutzen.

Reisen. Heutzutage, in der globalisierten Matrix, sollten wir andere Kulturen kennen, damit wir überhaupt wissen, womit wir unsere Leute konfrontieren müssen, damit sie aufwachen aus der Alltagstrance, die die unbewusste Annahme enthält, die eigene Kultur sei die Welt.

 

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